Raum Poetik

Martina Pfeifer Steiner · PH Weingarten (DE) · am 04. 02. 2015
Resultat der Unit
01·34 Unit Raum Poetik

Das neue Haus

Da ist es, das neue Haus. Es ist schon eine Weile her, dass ich über den Platz gegangen bin, vorbei an der kleinen Buchhandlung mit Blick auf den Park. Damals war es ein altes Haus. Erinnern kann ich mich nur noch vage, doch ich weiß, dass es zu den anderen Bauten auf dem Platz passte. Den ganzen Sommer über war dort eine Baustelle. Lärm, Schmutz und Staub. Das ist alles was mir in Erinnerung an dieses Haus blieb. Doch nun steht da ein neues Haus. Weiß. Groß. Modern. Es schreit förmlich: „Hier bin ich! Schau mich an!“. Ich merke, wie ich beim Vorbeilaufen meine Aufmerksamkeit völlig dem neuen Haus widme und mir überlege, wie es auf mich wirkt. Die Adjektive kalt und ungemütlich treffen es ziemlich gut. Außerdem wirkt es alles andere als einladend. Die Verzierungen der Fenstergitter geben dem Ganzen einen besonderen Charakter. Irgendwie brechen sie meine negativen Assoziationen auf. Ich frage mich: Passt das Haus überhaupt in die Gegend? Etwas stört mich daran. Die anderen Gebäude rund um den Platz sind alt, bunt und gehören auf eine bestimmte Art zusammen. Doch das neue Haus…es nimmt viel Platz ein, doch es gehört nicht dazu. Noch nicht. Die Fenster scheinen Zugang zu dunklen, leeren Räumen zu sein. Das Haus wirkt verlassen und gleichzeitig doch bereit für den Einzug der Menschen. Bei Nacht wirkt es anders. Plötzlich fällt es gar nicht mehr auf und passt im Licht der Straßenlaternen zu den anderen Bauten. Sein strahlendes Weiß geht völlig verloren in der Dunkelheit. Doch bei Tag nimmt es wieder die Rolle des modernen Hauses ein. Die Rolle des anderen Hauses. Die Rolle des Hauses, das verlassen und doch so bereit für einen Neuanfang wirkt.

Wo bin ich? von Irina Stöferle Ich stehe vor einem großen, schon etwas älteren, jedoch schön hergerichtetem Haus. Durch eine tannengrüne Tür trete ich hinein und rieche - sehr fein. Zu meiner Rechten eine Garderobe, zu meiner Linken eine, in hellem Braun leuchtende Tür. Trete ich hinein? Lasse ich es sein? Was wird wohl drinnen sein? Doch weiter geradeaus? Ach da seh’ ich es geht sogar auch noch rechts hinauf… Nun steh ich hier im dunklen Flur – und überlege… Phantasie pur. Ich bewege mich mit geraden Schritten weiter… da erspähe ich ein Art Leiter… Auf schmalen, dunklen Stufen geht’s hinauf ins dunkle Ungewisse… was wird dort wohl kommen? Die Ungewissheit macht mich ganz benommen. Weg von dem dunklen Loch entscheide ich mich zwischen den unendlich wirkenden Türen für eine bestimmte – wohin sie mich wohl führen? Durch die Tür hindurch, da kommt sie wieder die Furcht… stehe vor einer dunklen Wand. Ich packe mich am Schopf und drehe meinen Kopf – links schon wieder eine Tür mit der Aufschrift „nur für Personal“ – sonst wirkt sie ganz kahl… Rechts geht es hoch hinaus – was wird mich erwarten? Vielleicht ein Augenschmaus? Stufe für Stufe auf dem harten Beton… Licht erfüllt mich… plötzlich so hell – ja sogar fast schon grell… Das Licht durchflutet einen großen, verwinkelten Raum – ich sehe kaum… Kneife meine Augen zusammen und sehe große Tannen – ich gehe ein paar Schritte… bin ich schon in der Mitte? Blick nach oben, Blick nach unten, Blick zur Seite – wow – nun kann ich wieder in die Weite…

Platz 342 von Jennifer Manz Wir befinden uns gerade in einer Zeit, in der viele jeden Tag ein Türchen öffnen und mit gieriger Freude kaum erwarten können, das sich dahinter verbergende zu sehen. Diese Vorfreude, diese Begeisterung… wo sind sie, wenn wir ein gewöhnliches Türchen öffnen? Ein Türchen das nichts mit Weihnachten zu tun hat… Ein Türchen um beispielsweise den Seminarraum zu betreten? Es scheint als gebe es diese Begeisterung für diese Art von Raumeintritt nicht immer. Zumindest nicht für mich. Ich finde, es gibt Räume, die eine bestimmte Ausstrahlung haben. Ja man könnte sagen, Räume mit einer negativen und Räume mit einer positiven Aura. Räume die einen schon von Weitem hineinziehen, wie die unsichtbare, von Geisterhand gesteuerte Anziehungskraft eines Magneten; und Räume, in die man es, aus noch so unerklärlichen Gründen, gar nicht erst schafft hineinzugelangen, wie zum Beispiel die Räume einer Uni. Jedes Mal denke ich mir: Es ist so voll, es ist so laut und der Platz ist so klein… Was zum Teufel treibt mich eigentlich schon wieder hier hinein? Ja ich spüre die erdrückende Enge dieses Raumes und ja ich sehe, dass der Platz 127 genauso wie alle Plätze bis 341 belegt sind… Bleibt mir wieder einmal nichts anderes übrig, als mich auf jenen Platz, also 342, zu setzen, aber hey, immer hin noch im vorderen Viertel, denke ich mir. Ich befinde mich nun in dem riesigen, pompösen Raum, dessen Decke so unerreichbar scheint, und dessen Wände nicht heller sein könnten, wobei es vermutlich eher das fluoreszierende Licht ist, das meine Pupillen zu solch einer Verengung führt …oder vielleicht doch einfach auch nur die Müdigkeit. Ich sehe Menschenmassen, ich spüre die Kälte des hineinwehenden Wintersturms durch meine zwei Jacken hindurch und ich rieche… ja ich rieche… nichts… ich rieche nichts, der gesamte Sauerstoff in dem Raum ist verbraucht.. Ich bewege mich nun auf Platz 342 zu und der Raum scheint sich mit zubewegen. Die Wände kommen immer näher und die Kälte der Wände wird immer spürbarer. Ich nehme die Menschen war, bei denen sich ein in regelmäßigen Abständen wiederkehrendes Nicken um den vorgetragenen Sachverhalt des Referenten zu bestätigen, bereits schon automatisiert hat. Ich nehme, die sich im Raum befindlichen Gegenstände war, und ich nehme nach einiger Zeit sogar Dinge wahr, die man nicht sehen kann.. der allmählich in den Raum strömende Sauerstoff und die sich allmählich, aus dem Nichts, aufbauende Motivation der sich im Raum befindenden Teilnehmer, die entdeckt haben, dass das Öffnen dieses Seminartürchens heute vielleicht doch eine gute Entscheidung war. Dass man nicht immer mit einer negativen Aura einen Raum betreten soll, der den Anschein erweckt, selbige negative Aura in sich zu bergen. Anschein ist Schein. Und Schein ist oft nicht real. Räume haben Ausstrahlung, auf die man sich einfach mal einlassen sollte…




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